Ein Gemälde, Darstellung einer Landschaft und zerfließenden Uhren

Methoden sind nicht neutral

Ist es mal wieder an der Zeit Kosten zu senken, ein neues Produkt zu entwickeln oder andere Entscheidungen von Tragweite zu treffen? Dann sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass unser Entscheidungsspielraum nicht unabhängig ist von den Methoden, die wir zur Analyse verwenden, selbst wenn wir uns gar keiner Methodenwahl bewußt sind.[1]An den Überlegungen in diesem Post haben meine ehemaligen Kollegen des „Costing for Avionics Through-Life Availability“ (CATA) Forschungsprojekts einen nicht zu unterschätzenden Anteil, … Continue reading

Eine angedeutete Erde.
Am Anfang steht die Situation mit der wir konfrontiert sind, an der wir Interesse haben oder die wir untersuchen wollen

Die Methode, also eine Art und Weise etwas zu tun, ist etwas das uns hilft ein gewünschtes Ziel zu erreichen[2]Rodney Åsberg, Daniel H. Hummerdal and Sidney W. Dekker, ‘There are no qualitative methods – nor quantitative for that matter: the misleading rhetoric of the qualitative-quantitative … Continue reading. Eine Interpretation von Methode als Kochrezept, kann zu der Annahme verleiteten, dass unabhänging vom Kontext spezifische Ziele wiederholbar durch die Anwendung bestimmter Methoden erreichbar seien. Was dabei zusätzlich übersehen werden kann ist, dass

1. der Wahl einer Methode Annahmen über die jeweilige Situation zugrunde liegen,

2. gleichzeitig Möglichkeiten das gewünschte Ziel zu erreichen einschränkt werden und

3. die Eignung der Methode im vorliegenden Kontext sich erheblich von vorherigen Anwendungen unterscheided.

Methodenauswahl mittels Methodik

Somit stellt sich die Frage welche Bedeutung die Wahl einer bestimmten Methode für den jeweiligen Kontext hat, bzw. welche Methoden dem jeweiligen Ziel und Kontext angemessen sind. Diese Frage betrifft die „Methodik“, oder Methodologie, also die begründete (auch theoretisch gerechtfertigte bzw. rechtfertigbare) Anwendung von Methoden[3]Austin Harrington (ed.), Modern social theory: An introduction (Oxford, New York: Oxford University Press, 2005), pp.4–5. Der Aufbau einer Methodik ist in der unteren Darstellung gezeigt[4]Nils E. Thenent, ‘The Representation of an Advanced Service delivered by a Product Service System: A qualitative model of Avionics Availability’, PhD, University of Bath, Bath, UK, August 2014, … Continue reading.


Aufbau einer Methodik zur wissenschaftlichen Forschung.
Aufbau einer Methodik aus der wissenschaftlichen Forschung, die in der Auswahl geeigneter Methoden mündet. Geschäftsbezogene Strategien sind ergänzend eingefügt und in grün dargestellt.

Das Fundament findet sich in den zwei Facetten der Weltanschauung, „woraus besteht das Phänomen / die Situation / das Problem“ und „wie können wir darüber Wissen erlangen?“. Hierbei geht es unter anderem um Grenzen und Eindeutigkeit des Wissens, sowie die Bedeutung des jeweiligen Kontexts für die Veränderbarkeit von ursächlichen Zusammenhängen.

Eine von außen betrachtete und eine vorgestellte Erde.
Einordnung der Situation als objektives oder subjektives Phänomen.

Als nächstes ist nun zu klären, ob der Zweck der Analyse erklärend oder beschreibend ist – geht es um ursächliche Zusammenhänge oder eine Beschreibung von Zuständen? Im ersten Fall steht im Vordergrund Theorien zu entwickeln oder anzuwenden, um Vorhersagen zu ermöglichen. Beschreibende Ansätze hingegen legen den Fokus auf die Identifikation von Eigenschaften, Konzepten und Beziehungen des betrachteten Phänomens. Sie bilden sinnvollerweise eine Basis für erklärende Ansätze[5]wie beispielsweise ausgeführt von: Lucienne T. M. Blessing and Amaresh Chakrabarti, DRM, a design research methodology (Heidelberg, London, New York: Springer, 2009), p.18..

In der gewählten Strategie wird die Weltanschauung konkretisiert.

Die Strategie ist der übergeordnete Ansatz, in den sich geeignete Methoden einpassen. Gängige wissenschaftliche Strategien umfassen beispielsweise Fallstudien, Experimente oder Simulationen. Im geschäftlichen Umfeld können z.B. Lean oder Six Sigma als Strategie eingeordnet werden, da auch diese Ansätze einen definierten Rahmen für die Verwendung unterschiedliche Methoden bereitstellen.

Welche Methoden nun im spezifischen Fall geeignet und anwendbar sind, ist maßgeblich für deren Auswahl bezüglich Datenaufnahme und -analyse. Insbesondere die Datenaufnahme setzt eine Entscheidung voraus (oder bringt eine Entscheidung mit sich) ob quantitative, also zahlenbasierte, oder qualitative Daten erhoben werden sollen. Beispiele für quantitative Daten sind gemessene physikalische Größen wie Temperatur, Druck etc. und Antworten auf Fragebögen die einer Skala folgen. Qualitative Daten können Transkripte von Interviews, Freitext in Fragebögen oder auch Zeichnungen umfassen. Innerhalb einer Strategie können qualitative und quantitative Daten auch kombiniert aufgenommen werden, z.B. Strömungsbilder und gemessene Drücke in Aerodynamikexperimenten oder Interviews und Umfragen in Fallstudien.

Entsprechend der erhobenen Daten kommen nun bestimmte Methoden zur Datenanalyse in Frage. Dabei ist eine Trennung nach quantitativ und qualitativ nur teilweise bereits vorbestimmt. Liegen z.B. Transkripte von Interviews oder andere Textdokumente vor, so können diese qualitativ analysiert werden, beispielsweise mittels thematischer Analyse, und gleichzeitig können Wörter gezählt und somit quantitative Ergebnisse erzeugt werden. Bei quantitativen Daten eignen sich Methoden zur statistischen oder auch graphischen Analyse.

Passen die Methoden zum Phänomen?

Welche Methoden auch immer gewählt werden, ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen den erhobenen Daten, die ja einen Ausschnitt aus der Welt des betrachteten Phänomens darstellen, und den Ergebnissen einer Analyse stellt sicher dass, belastbare Schlussfolgerungen über eben diese Welt getroffen werden können.

So ist es nicht schlüssig im Rahmen einer Weltanschauung, die eine subjektiv konstruierte Realität beinhaltet, objektiv[6]Als intrinsische Eigenschaft eines Objekts. richtige Ansichten zu definieren bzw. in Interviews abzufragen.

Beispielsweise berücksichtigt die gängige Praxis der Kostenschätzung den fundamentalen Unterschied zwischen individuell agierenden technischen Systemen (z.B. ein Display) und Dienstleistungen, die mittels eines Geflechts abhängiger Prozesse erbracht werden (z.B. das Sicherstellen der Flugfähigkeiten einer Flugzeugflotte) nicht in den gewählten Methoden[7]Ettore Settanni, Nils E. Thenent, Linda B. Newnes, Glenn C. Parry and Yee Mey Goh, ‘To Cost an Elephant: An Exploratory Survey on Cost Estimating Practice in the Light of … Continue reading. Anstatt die Methode zur Kostenschätzung am vorliegenden Phänomen auszurichten, werden die „üblichen“ Vorgehensweisen angewendet. Zeitdruck im Management und die Erwartung einfacher Erklärungen kann dann dazu führen, dass die schnellste und leichteste Methode zur Anwendung kommt, aber eben nicht die am besten geeignete. Damit sagen Ergebnisse im Prinzip nur zufällig etwas über das untersuchte Phänomen aus.

Hier schließt sich der Kreis zwischen der zugrunde liegenden Weltanschauung und den Ergebnissen die durch die Methodenanwendung erbracht werden. Es ist ersichtlich, dass Annahmen über die grundlegenden Eigenschaften des Kontexts und der Situation sowie die Zielsetzung mit der Methodenauswahl in Zusammenhang und miteinander in Einklang stehen müssen, um verlässliche Ergebnisse erzeugen zu können. Ansonsten muss man Erfolge als reine Glückstreffer betrachten.

Methoden enthalten eine Weltanschauung

Methoden beinhalten also (mindestens) implizit eine Weltanschauung, die aber nicht notwendiger Weise der vorliegenden Situation angemessen sein muss. Um belastbare und sinnvolle Schlussfolgerungen ziehen und Maßnahmen ergreifen zu können ist daher ein bewusster Umgang mit der Methodenauswahl und deren Anwendung erforderlich. Das betrifft sowohl die Ableitung von Maßnahmen in der Geschäftswelt, als auch das Schaffen neuer Erkenntnisse in der Wissenschaft.

Titelbild: Jürgen, Die Beständigkeit der Erinnerung (nach Dali).

References

References
1 An den Überlegungen in diesem Post haben meine ehemaligen Kollegen des „Costing for Avionics Through-Life Availability“ (CATA) Forschungsprojekts einen nicht zu unterschätzenden Anteil, was ich hiermit mit herzlichem Dank anerkennen möchte. Die im folgenden zitierten Artikel, in denen ich als (Co-)Autor aufgeführt bin und auch meine Dissertation sind in dieser Zeit entstanden.
2 Rodney Åsberg, Daniel H. Hummerdal and Sidney W. Dekker, ‘There are no qualitative methods – nor quantitative for that matter: the misleading rhetoric of the qualitative-quantitative argument’, Theoretical Issues in Ergonomics Science 12/5 (2011), p.409, available from http://dx.doi.org/10.1080/1464536X.2011.559292.
3 Austin Harrington (ed.), Modern social theory: An introduction (Oxford, New York: Oxford University Press, 2005), pp.4–5
4 Nils E. Thenent, ‘The Representation of an Advanced Service delivered by a Product Service System: A qualitative model of Avionics Availability’, PhD, University of Bath, Bath, UK, August 2014, p.60, available from https://researchportal.bath.ac.uk/en/studentTheses/the-representation-of-an-advanced-service-delivered-by-a-product-
5 wie beispielsweise ausgeführt von: Lucienne T. M. Blessing and Amaresh Chakrabarti, DRM, a design research methodology (Heidelberg, London, New York: Springer, 2009), p.18.
6 Als intrinsische Eigenschaft eines Objekts.
7 Ettore Settanni, Nils E. Thenent, Linda B. Newnes, Glenn C. Parry and Yee Mey Goh, ‘To Cost an Elephant: An Exploratory Survey on Cost Estimating Practice in the Light of Product-Service-Systems’, Journal of Cost Analysis and Parametrics 8/1 (2015), p.16 (accessed 20 Apr 2015).

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