Der IT-Sektor boomt. Wer einen sicheren Job mit ständig neuen, technischen Herausforderungen sucht, ist hier richtig. Gleichzeitig gibt es sehr unterschiedliche Karrierepfade. Ich betreue regelmäßig Studierende. Viele sind unsicher, was genau sie in Zukunft machen wollen und welche Alternativen es überhaupt gibt. Dann fallen unter anderem solche Sätze:
- „Ich möchte möglichst schnell selbst Hand anlegen und mitmachen können.“
- „Ich möchte mit der neuesten, coolsten Technologie arbeiten.“
- „Ich möchte in die IT, weil es da sichere Jobs gibt.“
- „Ich glaube, dass ich vom Typ her eher ein Manager bin. Ich mag mehr Strategie und Planung, als selber an der Technik zu schrauben.“
- „Ich bin schon sehr gut und möchte von den Besten lernen.“
- „Ich habe gelesen, dass ich ein Einstiegsgehalt von 100.000€ bekommen kann.“
- „Stör mich nicht, ich programmiere gerade.“
- „Ich habe überhaupt keine Ahnung was ich tun will und was zu mir passt.“
- „Bei Google arbeiten wäre mein Traum.“
- „Ach, da gibt es Alternativen? Ich dachte immer, ich werde Programmierer.“
Ich möchte in diesem Beitrag einige typische Karrierewege darstellen, die mir häufiger begegnet sind und wie sie sich unterscheiden. Meine eigene Erfahrung ist natürlich begrenzt, aber ich konnte in Organisationen ganz verschiedener Größe und Ausrichtung mit vielen Personen über ihre Erfahrungen sprechen. Ich versuche folgende Fragen zu beantworten:
- Was sind die Unterschiede beim Arbeiten in kleineren oder größeren IT-Organisationen?
- Was sind die Unterschiede beim Arbeiten in verschiedenen Phasen eines IT-Systems?
- Was sind „Consultants“? Welche Unterarten gibt es?
Hinweis: Im IT-Sektor gibt es ganz verschiedene „Produkte“, wie Software, Netz-Infrastruktur oder Beratungsleistungen. Ich spreche hier allgemein von „IT-Services“ oder „IT-Systemen“.
Inhaltsverzeichnis
- Start-Up oder Konzern?
- Im Lebenslauf eines IT-Systems – lieber planen oder lieber machen?
- Consulting ist nicht gleich Consulting
Start-Up oder Konzern?
Die Größe der IT-Organisation hat starken Einfluss auf die Frage, wie gearbeitet wird. Dabei ist nicht unbedingt die wichtig, wie groß das ganze Unternehmen ist, sondern wie groß der Anteil der IT darin ist. Die Arbeit in der IT-Abteilung mit 20 Mitarbeitenden eines großen Unternehmens unterscheidet sich also nicht unbedingt von der Mitarbeit in einer Software-Schmiede mit insgesamt nur 20 Personen.
- In kleineren IT-Organisationen findest Du relativ schnell Deine Rolle und lernst ständig und praxisnah dazu. Bei Start-Ups herrscht zudem eine hoch-ansteckende Begeisterung für das eigene Produkt. Die Arbeitsweise grenzt oft an Chaos – was auf Dauer nerven kann. Außerdem sind nicht alle kleinen IT-Unternehmen langfristig wirtschaftlich stabil.
- Je größer die Organisation, desto mehr Arbeitsteilung, Prozesse, Bürokratie, Spezialisierung und Regeln. Selber machen ist nur bedingt erwünscht oder sogar verboten. Am Anfang bist Du erstmal damit beschäftigt Dich durch den Katalog aus Betriebsvereinbarungen und Anleitungen zu wühlen. Dann aber hast Du die Chance in Deinem Spezialgebiet voll aufzugehen. Du arbeitest mit einem Haufen anderen Spezialisten zusammen an großen und komplexen IT-Systemen.
- Mittelgroße IT-Organisationen verbinden Vorteile von beiden Welten: Weit mehr als in kleinen IT-Organisationen findest Du hier Spezialisierungs- und Karriereoptionen. Im Gegensatz zu großen Organisation hast Du hier noch direkten Kontakt zur Führungsspitze und siehst die konkreten Folgen Deiner Arbeit.
kleine Organisation / Startup | mittelgroße Organisation | gorße Organisation / Konzern | |
---|---|---|---|
Arbeitsweise | „Hands-On“, selber Lösungen suchen wird geschätzt | für vieles gibt es Spezialisten, kurze Abstimmungswege | stark an Prozessen orientiert, für alles gibt es eigene Abteilungen |
Einflussmöglichkeiten | Sehr hoch, jedes Engagement kann direkt Einfluss auf den Erfolg der ganzen Organisation haben | mittel, Entscheidungen vom Management sind meist verständlich, in Teilbereichen haben einzelne Mitarbeitende großen Spielraum | sehr gering, „strategische“ Entscheidungen vom Management können willkürlich wirken, oft mehr Politik als Sach-Argument |
Einkommen | oft eher schlecht bezahlt | tendenziell gut bezahlt, aber es hängt oft vom individuellen Verhandlungsgeschick ab | meist eher gut bezahlt |
Karrieremöglichkeiten | kaum Aufstiegsmöglichkeiten | Möglichkeiten zu Aufstieg oder Spezialisierung | fast unbegrenzte, langfristige Entwicklungsmöglichkeiten |
Im Lebenslauf eines IT-Systems – lieber planen oder lieber machen?
Moderne IT-Systeme werden in der arbeitsteiligen, ingenieursmäßigen Welt nicht immer von den gleichen Menschen entwickelt, die es nachher auch am Laufen halten (oft über Jahrzehnte). Ich möchte den Lebenslauf einer Software in 4 Phasen unterteilen – zu jeder Phase gibt es Spezialisten mit einem bestimmten Profil.
- Planung: Bevor eine Organisation einen IT-Service baut oder einführt, wird oft auf fachlicher und/oder strategischer Ebene lange beraten. Welche technischen Möglichkeiten gibt es, was passt zu den langfristigen Zielen der Organisation?
- Entwicklung: Soll ein IT-Service entwickelt werden, beginnen Produktmanager, Entwickler und Tester ihre Arbeit. Die Anforderungen an IT-Services sind immens. Das System muss nützlich sein, sich am Markt behaupten, wartbar sein und vieles mehr – meist soll es auch ganz schnell verfügbar sein und wenig kosten.
- Implementierung: Ist ein IT-System verfügbar, muss es in den meisten Fällen an den oder die Kunden(-gruppen) angepasst werden. Software muss installiert und konfiguriert, Anwender geschult werden. Oft passiert dies in komplexen Rollout-Projekten.
- Betrieb: Sobald ein IT-Service läuft und benutzt wird, muss er betreut werden. Benutzer benötigen Unterstützung, Fehler müssen analysiert und behoben, Updates eingespielt werden.
In jeder Phase sind die Aufgaben natürlich etwas anders. Auch der Zeithorizont ist ein anderer: Während im Betrieb oft mehrmals am Tag neue Kundenanfragen auftauchen können, die schnell gelöst werden müssen, wird in der Planung oft wochenlang an einem Strategiepapier gearbeitet. Kernfragen und Zielrichtung sind in jeder Phase (teilweise völlig) anders: mal geht es mehr um die Technik an sich, mal mehr um (teils ausgefallene) Kundenwünsche.Die Karrierewege sind oft von Phase zu Phase unterschiedlich – die Job-Beschreibungen sind anders, es werden andere Fähigkeiten erwartet. Zuletzt ist der Anteil an Kundenkontakt jeweils unterschiedlich.
Planung | Entwicklung | Implementierung | Betrieb | |
---|---|---|---|---|
Aufgabe | Den Einfluss softwarebasierter Lösungen aufzeigen. | Softwarebasierte Lösungen planen, entwickeln, testen und bereitstellen. | Softwarebasierte Lösungen konfigurieren und bei Kunden einführen. | Softwarebasierte Lösungen warten, Anwendern unterstützen. |
Zeithorizont | oft wird monate- oder jahrelang ein neues System geplant | Entwicklungszyklen sind oft mehrere Wochen oder Monate lang | Einführungsprojekte können ein paar Wochen, ein Jahr oder länger dauern | mehrmals täglich können Supportanfragen kommen, größere System-Anpassungen dauern oft Tage oder Wochen |
Kernfrage | Wie passt das IT-System zur Strategie? | Wie kann das IT-System möglichst schnell und qualitativ hochwertig gebaut werden? | Wie wird das IT-System für den konkreten Kunden nützlich? | Wie kann das IT-System langfristig und effizient am Laufen gehalten werden? |
Karrierewege | Business Consulting, Business Analysis, IT-Management | Produktmanagement, Business Analysis, Entwicklung, Qualitätssicherung, Architektur | Projektmanagement, Technisches Consulting | Administration, Anwendungsbetreuung, Support |
Kundenkontakt | viel | wenig | mittel | mittel (im Support eher viel, in der rein technischen Betreuung sehr wenig) |
Wichtige Fähigkeiten | Ausdrucksfähigkeit, wirtschaftliches Verständnis, Branchenkenntnise | Algorithmen, Architekturmuster, Teamfähigkeit | Zeitmanagement, Verständigung mit verschiedensten Kunden | Empathie und Hilfsbereitschaft im Umgang mit Kunden, Mut und Improvisationstalent bei der Lösungsfindung |
Noch ein Hinweis: Manche moderne Arbeitsweisen im Software-Geschäft verbinden die verschiedenen Phasen miteinander. Ein Beispiel ist ‚DevOps‘. Hier wird Entwicklung und Betrieb miteinander verbunden. Die 4 Phasen sind daher nur als Beispiel für Arbeitsteilung zu verstehen.)
Consulting ist nicht gleich Consulting
IT-Consultants (oder ganz Deutsch: IT-Berater) zeichnen sich aus durch die Kombination von technischem Verständnis und der Fähigkeit zu Beratung. Der Studiengang „Wirschaftsinformatik“ sorgt seit Jahren für Nachschub an Fachkräften, denn besonders diese Kombination aus Technik und Betriebswirtschaft ist hier gefragt.
Auf Job-Portalen findet man viele Angebote, als „Consultant“ zu arbeiten. Nur selten ist so ganz klar, was damit gemeint ist. Meistens umfasst das Arbeitsgebiet sehr technische Aufgaben mit viel Kontakt zum Kunden. Es gibt aber auch deutliche Unterschiede.
Oft wird unterschieden zwischen „Technischen Consultants“ und „Business Consultants“
- Technische Consultants sind vom Profil her ein wenig wie „Softwareentwickler, die gerne reisen“. Technische Consultants arbeiten oft mit der IT-Abteilung eines Kunden eng zusammen, müssen aber auch dem Management (des Kunden) erklären können, was sie da machen und warum das wichtig ist.
- Für fachliche oder „Business“ Consultants ist zwar technisches Verständnis wichtig, aber handwerkliche Fähigkeiten wie Programmierkenntnisse sind nicht gefragt. Sie können gut erklären, wie das IT-System (richtig) eingesetzt wird. Business Consultants arbeiten besonders mit der Fachabteilung des Kunden (die das IT-System verwendet) eng zusammen und oft auch mit dem Management (des Kunden).
Daneben habe ich erlebt, dass es beträchtliche Unterschiede gibt, bezüglich der Reiseaktivität und der Präsenz beim Kunden vor Ort.
- Auf der einen Seite der Skala liegt das dauerhafte „Body Leasing“. Im Grunde funktioniert das wie Leiharbeit. Ein Consultant arbeitet für einen Kunden und hat dort seinen Arbeitsplatz – einen Arbeitsplatz beim eigentlichen Arbeitgeber dagegen hat er/sie nicht. Gelegentlich mag der Kunde/Arbeitsplatz wechseln (alle paar Wochen, Monate oder Jahre). Es ist schwer, ein Loyalitätsgefühl zum eigentlichen Arbeitgeber zu bewahren oder aufzubauen.
- Auf der anderen Seite der Skala liegen die „Inhouse-Consultants“. Diese arbeiten nur für die eigene Organisation, oft einen großen Konzern. Ihre Leistungen werden von verschiedenen Betrieben oder Abteilungen angefragt, sie haben aber einen normalen, eigenen Arbeitsplatz und reisen nur selten zum „Kunden“.
- Dazwischen gibt es viele Consultants die zwar oft zu ihren Kunden reisen, aber nicht ständig dort sind. Manchmal sind sie mehrere Tage oder Wochen bei einem Kunden vor Ort, auch Auslandsreisen sind (je nach Organisation) ganz normal. Durch moderne Technologien (besonders Cloud-Computing und Video-Telefonie) müssen viele Consultants fast gar nicht mehr reisen: sie sind zwar jeden Tag der Woche für ihre Kunden da, machen ihre Arbeit aber komplett aus dem eigenen Büro oder Home-Office.
[Titebild: „Daniel“ (Unsplash)]