Eine grüne Frau.

Toastmasters: Der Weg zur Club-Präsidentin

Während des Interviews mit Melanie über den Rhetorik-Club „Toastmasters International“ (TM) möchte ich von ihr erfahren, wie sie persönlich zu TM gekommen ist und was sie motiviert hat, für ein Jahr die Rolle der Club-Präsidentin zu übernehmen.

„Reden und Führen“ sind nach meinem Verständnis die Kernbegriffe von „Toastmasters“. Kannst Du uns kurz erklären, warum diese beiden Begriffe für Dich persönlich wichtig sind? Warum möchtest Du „reden“, warum möchtest Du „führen“?

Als ich zu TM kam, war das „Reden“ ganz stark im Vordergrund. Ich wollte lernen, souverän zu präsentieren, sowohl thematisch als auch mich. Dafür ist TM nach außen hin bekannt: Die Clubs organisieren regelmäßig Meetings, bei denen alle Mitglieder als Redner/innen auftreten können. Dadurch hält und hört man viele Reden und wird immer besser. Und außerdem erhalten alle Redner/innen unmittelbares Feedback von den anderen Clubmitgliedern. Das hat mir von Anfang an Spaß gemacht und mich schnell weitergebracht.

Das Führen kam erst mit der Zeit, ganz schleichend. Besonders spannend war es für mich festzustellen, dass beides sehr eng verknüpft ist. Es ist eben so, dass die Leute, die regelmäßig im beruflichen Alltag Reden halten, häufig Führungskräfte in der Wirtschaft sind oder in der Politik. Wenn man als Führungskraft nicht reden kann, hat man sehr schnell verloren. Nach mehr als fünf Jahren TM-Erfahrung hängen diese Begriffe für mich so eng zusammen, dass ich sie nicht mal mehr trennen würde. Jeder der auf der Bühne steht, führt zumindest in dieser Stunde oder in diesen 5 Minuten. Er muss sich klar ausdrücken, muss sich präsentieren, muss Ideen vertreten. All das sind Führungsfähigkeiten.

Die Begriffe ‚Reden‘ und ‚Führen‘ hängen
für mich sehr eng zusammen.

Das finde ich spannend an TM: diese Synergie aus Führung und Rhetorik. Meine Erfahrung ist, dass man eine bessere Frührungskraft wird, wenn man regelmäßig aktiv an den Toastmasters-Meetings teilnimmt. Dafür muss man sich gar nicht unbedingt bewusst mit dem Thema Führung beschäftigen.

An welcher Stelle hast Du gemerkt, dass Du führen willst?

(Denkt nach) Erst nachdem ich mein erstes Jahr im Vorstand absolviert hatte, in der Rolle „Vizepräsidentin Öffentlichkeitsarbeit“. Da hat mich ein Clubkollege angesprochen, ob ich mich für Führung interessiere. Das war ein Realisiationsmoment für mich. Ich hatte schon gewisse Erfolge durch TM erlebt in Bezug auf das Reden halten, war da schon selbsbewusster geworden. Ich hatte auch schon erlebt, was andere Vorstände, Area Direktor/innen und das Distrikt Team so machen innerhalb der Organisation. Aber erst ab diesem Moment, in dem mein Clubkollege mir diese direkte Frage gestellt hat, habe ich mich als Vorstandsmitglied als Führungskraft gesehen und nicht mehr nur als Ehrenamtler oder Organisator.

Nach „Vizepräsidentin Öffentlichkeitsarbeit“ habe ich die Rolle „Vizepräsidentin Weiterbildung“ übernommen. In dieser Rolle war ich verantwortlich für die Organisation der Clubmeetings. Dabei geht es viel darum, Mitglieder bezüglich des Bildungsprogamms Pathways zu beraten und neue Mitglieder in den Club einzuführen, z. B. einen Mentoren oder eine Mentorin für sie zu finden. Dadurch war ich in gutem Kontakt mit allen Clubmitglieder und habe viel über die Bedeutung von Kommunikation gelernt. Auch musste ich die Meetings sozusagen verkaufen, also meine Clubkolleginnen zur Teilnahme einladen, sie manchmal auch davon überzeugen sich zu engagieren, damit das Meeting ein voller Erfolg wird. Von der Aufgabe her ist das schon sehr nah an einer Führungsrolle, wie sie auch in der Wirtschaft zu finden wäre. Ab da habe ich TM als Führungstraining angenommen.

Die Gemeinschaft mit zu gestalten und zu prägen, war einer meiner Beweggründe, Präsidentin zu werden.

TM bringt Führung viel durch „learning-by-doing“ bei: Du bekommst die Rolle und wächst dann in diese Rolle hinein. Ich finde, das ist das Alleinstellungsmerkmal von TM. Es ist nicht die blanke Theorie, sondern man kommuniziert tatsächlich mit den Mitgliedern, setzt echte Projekte um und lernt durch diesen Prozess. Natürlich gibt auch im Bildungsprogramm Pathways Kapitel zu dem Thema Führung und es gibt den Austausch mit Mentorinnen und Mentoren.

Du bist Präsidentin des Clubs gewesen. Wenn ich richtig verstehe, ist das Amt immer auf ein Jahr angelegt. Was hat Dich ermutigt, diese Rolle zu übernehmen? Was waren Deine Erwartungen und haben sie sich erfüllt?

Wie ich schon sagte, habe ich mich schon vor meiner Zeit als Präsidentin ehrenamtlich im Club engagiert. Das kam mir selbstverständlich vor, denn schließlich hatte ich schon sehr viel von meiner Mitgliedschaft profitiert und konnte einige Erfolge feiern. Von daher konnte und wollte ich auch etwas zurückgeben. Außerdem war es schön im Austausch mit den anderen Clubmitgliedern zu stehen dadurch und die Gemeinschaft mit gestalten zu können. Das wollte ich auch sehr gerne noch ausbauen.

Als ich einmal verstanden hatte welche großartigen Chancen Toastmasters bietet, um sich als Führungskraft auszuprobieren und weiterzuentwickeln, war das Amt der Präsidentin anzustreben, der logische nächste Schritt. Ich wollte lernen ein Team zu führen und die Belange des Clubs zu managen. Diese Erwartungen die ich an die neue Rolle hatte wurden dann auch erfüllt. Oder nein, ich kann sogar sagen, dass sie übertroffen wurden.

Mit welchen Gefühlen ich auf der Bühne stehe?
Das ist eine Frage der Perspektive. In jeder Vorstandsrolle denke und fühle ich anders – gegenüber der Gemeinschaft und mir selbst.

Als ich das erste Mal als Präsidentin vor dem Club stand, war es für mich so ein Identitätswandel, weg von ‚Okay ich bin jetzt hier als Rednerin, aber ich weiß nicht so genau, ob ich euch etwas mitgeben kann.“ hin zu ‚Hey, das ist mein Wohnzimmer, na klar habe ich hier etwas zu sagen.‘. Da habe ich noch besser verstanden, dass es beim Redenhalten darauf ankommt, in was für einer Rolle man auf der Bühne steht. Deswegen würde ich jedem empfehlen, mal eine Vorstandsrolle zu belegen. Man übernimmt mit jeder Rolle eine gewisse Identität, entwickelt sich und verhält sich auch entsprechend dieser Identität. Wenn ich die Präsidentin eines Clubs bin, werde ich anders über diese Gemeinschaft denken und auch über mich selbst. Wenn wir davon ausgehen, dass auf Gedanken entsprechende Gefühl folgen, dann werde ich mich auch anders fühlen. Da sind wir am Kern des Ganzen. Also: mit was für Gefühlen stehe ich auf der Bühne? Diesen deutlichen Wandel von meiner Gefühlswelt gegenüber dem Club und gegenüber der Bühne, das habe ich vor allem als Präsidentin gespürt.


Hier geht es weiter mit Toastmasters: Was treibt uns an?

[Titelbild: Menschen und Maschinen: Idol der Moderne – la poupée certe (Jürgen Thenent)]

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