Ein Gemälde, Darstellung einer Landschaft und zerfließenden Uhren

Toastmasters: Was treibt uns an?

Während des Interviews mit Melanie über den Rhetorik-Club „Toastmasters International“ (TM) wollte ich wissen, was die Menschen dort antreibt und warum wir alle lernen sollten, gut zu reden und zu führen.

Mein Eindruck beim Club-Meeting war, dass viele Teilnehmende sich beruflich weiterbilden möchten. Kannst Du uns einen Überblick geben? Mit welchen Motivationen kommen Menschen zu Toastmasters?

Dein Eindruck deckt sich ziemlich mit meinen Erfahrungen, dass viele die berufliche Weiterbildung an erster Stelle als wichtig sehen. Trotzdem merken sie auch sehr, sehr schnell, dass rhetorische Fähigkeiten nicht nur im beruflichen Kontext eine Rolle spielen. Es ist genauso wichtig, seine Meinung gut vertreten zu könnenn, wenn es darum geht, welche Freizeitaktivität als nächstes dran ist oder in welches Restaurant man geht. Genauso kann einen die Fähigkeit, wertschätzendes Feedback geben zu können im Leben sehr weit bringen – ob am Arbeitsplatz oder wenn man mit Partner, Partnerin spricht. Privat muss man ja genauso häufig Feedback geben wie beruflich, vielleicht sogar noch häufiger.

Du bist nun schon einige Jahre dabei. Was ist es aus Deiner Sicht, was Toastmasters für die langjährigen Mitglieder anzubieten hat?

Diese Frage wird tatsächlich häufiger gestellt, auf District- oder Division-Konferenzen. Da sind eben diese langjährigen Mitglieder anwesend, die oft auch die Konferenz organisiert haben, also gerade höhere Rollen bekleiden.

… das heißt eine Konferenz auf einer größeren Ebene, wo die Organisatoren von verschiedenen Clubs zusammenkommen?

Nicht nur Organisatoren, es können alle Mitglieder kommen – und auch Gäste, also Nicht-Mitglieder, sind herzlich willkommen, sich ein Ticket zu kaufen. Es sind natürlich speziell die langjährigen Mitglieder anwesend, die sich über den Club hinaus für die internationale Organisation interessieren, die Toastmasters ja auch und allem voran ist.

Und wie fällt dann die Antwort aus?

Meistens wird etwas gesagt, wie: „Ich bin gekommen, um Reden zu lernen, um Rhetorik zu lernen, um Präsentieren zu lernen, um vielleicht auch meine Redeangst abzubauen. Dann hat mich das Führungsthema irgendwie auch gecatcht und ich konnte mich da auch weiterentwickeln. Weswegen ich aber jetzt immer noch nach fünf, nach zehn Jahren Toastmasters-Mitglied bin und mich hier auch immer noch einbringe? Wegen der Menschen, der Freundschaften und dem Netzwerk.“

Viele kommen zu Toastmasters, weil sie sich beruflich weiterbilden wollen, am Ende bleiben sie aber wegen dem Netzwerk spannender Menschen.

Toastmasters ist ein weltweites Netzwerk. Es gibt in den allermeisten großen Städten Clubs. Aber es ist natürlich auch ein lokales Netzwerk, wenn man den Club in seiner Stadt besucht. Da entstehen Freundschaften, man trifft Menschen, die ein ähnliches Mindset haben, eine ähnliche Lebenseinstellung haben, die lebenslanges Lernen praktizieren, die offen sind für Neues. Das Schöne ist bei Toastmasters, dass immer wieder unterschiedliche Themen präsentiert werden innerhalb der Reden. Also, es ist ein wahnsinnig spannendes Umfeld, in dem es auch immer wieder was Neues zu entdecken gibt.

Ein irgendwie ironisches Phänomen bei Toastmasters ist, dass zwar viel und professionell geredet wird, es aber keine vorgegebenen Themen gibt. Ist das für Dich ein Kritikpunkt, dass Toastmasters sozusagen „Rahmen ohne Inhalt“ ist, oder siehst Du das sogar als Vorteil?

Es geht ja auch darum, über das Reden zu reden. Wo tut man es sonst?

Ich würde sagen, das ist das Kernthema jedes Club-Meetings und jeder Konferenz: Wie können wir lernen noch besser miteinander zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten? Und wie können wir dieses Wissen wiederum an neue Mitglieder weitergeben?
Trotzdem verstehe ich deinen Punkt. Bei viele Reden kann man sich ja selbst ein Thema rauspicken. Es kann ein Thema sein, was man gerade total spannend findet, was einen schon lange im Leben begleitet oder einfach eine persönliche Anekdote. Das muss aber gar nicht das gesamte Publikum interessieren. Gerade als Einsteiger beim Reden halten ist es ganz, ganz relevant, dass man sich ein Thema raussucht, das einen selbst wirklich begeistert. Mir als Redner zu überlegen, über was ich sprechen möchte, ist schon 60 Prozent der Arbeit, würde ich so sagen. Alles andere ist dann nur Dekoration.

Mir als Redner zu überlegen, über was ich sprechen möchte, ist schon 60 Prozent der Arbeit.

Mal ein Beispiel. Ich habe eine Mentee gehabt, sie wollte eine Rede vorbereiten und ich habe sie bei dem Prozess begleitet.
Thema des Abends war Japan. In ihrer Einleitung wollte sie deshalb das Thema Japan ansprechen und dann zu ihrem eigentlichen Thema überleiten.
Dann habe ich sie gefragt: Wie findest du das Thema Japan? Hat das was mit dir zu tun?
Und sie sagte: Nee, eigentlich überhaupt nichts, aber es ist das Thema des Abends, also will ich das aufgreifen.
Da habe ich gesagt, das würde ich nicht machen. Wenn das wirklich nichts mit dir zu tun hat, macht es keinen Sinn, das zu bringen. Vor allen Dingen am Anfang der Rede ist es wichtig für dich in den Redefluss reinzukommen. Wenn du da ein Thema ohne persönlichen Bezug hast, wird es ganz schwierig, das Publikum zu gewinnen. Dabei muss ich hinzufügen, dass es keine Pflicht ist, in den Reden Bezug um Motto des Abends zu nehmen. Die Redner sollen ihre Bühnenzeit komplett frei für sich uns ihre Themen nutzen können.

Denn darum geht es bei TM: Dass man sich selber kennenlernt und herausfindet, wer man auf der Bühne ist und in Zukunft noch werden möchte. Und nicht nur auf der Bühne, auch im Leben. Wir kommunizieren täglich und ständig. Das zu üben wirkt sich auf alle Lebensbereiche positiv aus. So ist meine Erfahrung und die vieler wundervoller Menschen, die ich durch TM kennenlernen durfte.


Schon die anderen Teile des Interviews gelesen? Hier geht es zum Inhaltsverzeichnis.

{Beitragsbild: Unsere fragile Moderne: Die Beständigkeit der Erinnerung (Jürgen Thenent, nach Dali)}

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